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Staatsschuldenkonsolidierung im Spiegel historischer Daten
Die historischen Höchststände der globalen Verschuldung gäben Anlass, den Blick auf erfolgreiche Konsolidierungsprozesse der Geschichte zu richten, so sagte der Wirtschaftshistoriker und Ökonom Rui R. Esteves in der gemeinsamen Veranstaltung von House of Finance, Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE und Institut für Bank- und Finanzgeschichte am 30. Januar 2025 im House of Finance. Esteves lehrt am Geneva Graduate Institute Internationale Geschichte und Wirtschaft und hat in diesem Jahr als neunter Gastprofessor die Stiftungsgastprofessur für Financial History* an der Goethe-Universität inne.
Schuldenkonsolidierungen hätten in der Forschung bisher weit weniger Aufmerksamkeit erfahren als Staatsbankrotte, betonte Esteves. Die Rückkehr hoher Inflationsraten, ein vermeintliches Vehikel zur Senkung der Staatsschuldenquote, wäre ein weiterer Grund, die historischen Staatsschuldenkonsolidierungen einer intensiven Analyse zu unterziehen, um angenommene Wirkungszusammenhänge auf den Prüfstand zu stellen. Der diesjährige Stiftungsgastprofessor für Financial History präsentierte die Ergebnisse seines Forschungsprojekts, das auf einem Datensatz basierte, der sich aus Informationen zu Konsolidierungsprozessen aus 220 Jahren (1800-2019) in 183 Staaten speist.
Nachhaltige Schuldenreduktion erfordert mehr als einfache Schuldenerlasse
Um die maßgeblichen Treiber erfolgreicher Schuldenkonsolidierung nachzuweisen, hatte er mit seinen Mitautoren ein Rahmenwerk entwickelt, mit dem der Beitrag einzelner Faktoren zur Schuldensenkung wie Haushaltsdisziplin, Wirtschaftswachstum, Zinsentwicklung und Inflation näher bestimmt werden konnte. Die Analyse lässt zahlreiche Schlussfolgerungen zu - unter anderem zu den strukturellen Merkmalen der Staatsverschuldung und ihrer Auswirkung darauf, wie leicht Schulden konsolidiert werden konnten, darunter ihre Laufzeit und die Kopplung der Schulden an inländische Preise oder Fremdwährungen.
Es zeigt sich insbesondere, dass Konsolidierungen für die Rückführung der Staatsschuldenquoten historisch eine weit größere Bedeutung haben als einseitige Zahlungseinstellungen oder Schuldenerlasse, dass sie größere und nachhaltigere Wirkung auf Schuldenquoten haben als einseitige Lösungen und dass ihr Erfolg nicht davon abhängt, ob es sich um Länder mit niedrigem, mittlerem oder hohem Einkommen handelt.
Anschließend relativierte Esteves den Zusammenhang zwischen Inflation und Schuldenkonsolidierung: Auch wenn große unerwartete Inflationsschübe die Schuldenquoten senken können, holen die Märkte dies in der Regel auf, indem sie höhere Renditen verlangen, um die erwartete Inflation auszugleichen. Erfolgreiche Schuldenkonsolidierungen, so der Gastprofessor, finden in der Regel in moderaten Inflationsszenarien statt, die häufig mit einem soliden geld- und finanzpolitischen Umfeld einhergehen. Die spätere Phase des klassischen Goldstandards und die Zeit der Great Moderation nach 1990 sind hierfür ein gutes Beispiel. In diesen Zeiträumen konnte eine stabile und niedrige Inflation erheblich zur Schuldenkonsolidierung beitragen, ohne den Markt für Staatsschulden zu destabilisieren.
* Die Stiftungsgastprofessur Financial History im House of Finance der Goethe-Universität wird vom Bankhaus Metzler und der Friedrich Flick Förderungsstiftung ermöglicht.